Familie ist ja so eine Sache: Man kann sie sich bekanntlich nicht aussuchen. Völlig ungefragt wird man da in irgendwas hineingeboren - und hat dann den Salat.
18:55 / 22.11.2023.
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Autor:
Dana Jungbluth
Veröffentlicht:
22. November 2023, 18:55
Familie ist ja so eine Sache: Man kann sie sich bekanntlich nicht aussuchen. Völlig ungefragt wird man da in irgendwas hineingeboren - und hat dann den Salat.
Denken Sie doch nur an das anstehende Weihnachtsfest (Wo ist der verdammte Lockdown, wenn man ihn braucht?); schon bei der Planung geht das Dilemma los: Wann fährt man wohin, an welchem Tag haben die meisten Zeit, wer hat die weiteste Anfahrt, bei wem trifft man sich, wie lange kann man wo bleiben, wer hat die besten Argumente zur Einforderung bedingungsloser Rücksichtnahme, wessen Schwiegereltern sind vernachlässigbar, wen kann man auch zwischen den Jahren besuchen, wen auf's nächste Jahr verschieben, wen versehentlich vergessen? Hinzu kommen Diskussionen über Geschenke von "Wir schenken uns nichts!" über "Was können die Kinder gebrauchen?" bis hin zu "Ist Geld auch ok?". Wer bis dahin ob des ganzen organisatorischen Wahnsinns noch nicht komplett ausgeflippt ist, wird sich spätestens bei der besinnlichen Zusammenkunft fragen, warum er sich das chaotische Schauspiel aus lärmenden Kindern, dementen Alten, streitenden Geschwistern und viel zu wenig Alkohol "alle Jahre wieder" antut. Politische Gespräche sorgen für das weihnachtliche Sahnehäubchen und kleine Skandälchen, die sich der ein oder andere extra für dieses besondere Fest zur Verkündung aufgespart hat, geben der familiären Runde den ultimativen Weihnachtskick. Aber es gibt natürlich auch schöne Momente. Wenn alle Kauen zum Beispiel. Sei es andächtig auf der Hostie, bei der man sich noch ganz fest vornimmt, sich in diesem Jahr des lieben Friedens wegen zusammenzureißen, oder im Anschluss beim veganen Weihnachtsbraten nebst glutenfreien Keksen, was einen alle christlichen Vorsätze kurzerhand über Bord werfen lässt.
Während die Kroaten familienintern ja eher von der übergriffigen Sorte sind, zeigt sich das deutsche Familienmitglied bevorzugt gleichgültig, aber damit nicht weniger belästigend. In der kroatischen Familie existiert Privatsphäre schlichtweg nicht, "was dein ist, ist mein" versteht man als göttlichen Auftrag zur Befriedigung menschlicher Neugier. Bei den deutschen Verwandten kann man hingegen froh sein, wenn wenigstens WhatsApp-Nachrichten gelesen werden, das Versenden von Sprachnachrichten sollte man sich gar nicht erst wagen. Sogenannte Mischehen erscheinen daher als verzweifelter - und näher betrachtet nur konsequenter - Versuch, die Geisteskrankheiten der eigenen Familie mit gegensätzlichen Macken ein wenig auszugleichen. Man versucht es also mit Ehepartnern, Kindern oder vielleicht auch einem Hund, um trotzig seine eigene verrückte Bande aufzubauen, derer man endlich Herr wird. Weit gefehlt. Die undankbaren Kinder verstehen doch erst dann die gut gemeinten und liebenden Absichten der Eltern, wenn sie selbst welche sind. Und auch, was bedingungslose Liebe bedeutet. Elternsein ist ohnehin so eine schizophrene Angelegenheit. Man weiß gar nicht, ob man all den Frauen guter Hoffnung Glückwünsche oder Beileid aussprechen soll, wenn man doch insgeheim weiß, was einen statt immerwährenden Babyglücks tatsächlich erwartet. Ein Bund für's Leben. Zumindest einseitig, aber das will ja niemand wahrhaben.
Ich kannte mal jemanden, der immer zu sagen pflegte, dass Blut dicker als Wasser sei. Kroate, by the way. Ich fand dieses Sprüchlein, das aufgrund seiner auffällig häufigen Verwendung in kroatischen Kreisen den Anschein einer dort ursprünglichen Redensart hat, nicht nur vor dem Hintergrund, dass es mir meinen Stellenwert bei ihm suggerieren sollte, völlig lächerlich, sondern vor allem seinetwegen. Diese beschränkte Denkweise, die vordergründig männliche Stärke und Fürsorge demonstrieren sollte, war in meinen Augen nichts als armselig und bemitleidenswert - vor allem im Hinblick auf Familienweihnachtsfeiern. Loriot brachte es in "Pappa ante portas" beim 90. Geburtstag der Schwiegermutter doch wunderbar auf den Punkt: "Gehören Sie zur Familie? - Nein. - Schwein gehabt." Ich fragte mich immer, mit wem man denn letztlich wohl alt wird - mit dem Blut oder mit dem Wasser? Und mit dem Wasser lässt sich immerhin neues Blut kreieren, sogar Wein, wie ich mal gelesen habe, und davon kann das Blut nun wirklich viel gebrauchen.
Natürlich, auch das Wasser ist, wenn wir ehrlich sind, nicht ganz so beständig, wie man es sich vielleicht wünschen mag. Partner kommen und gehen mit jeder feierlichen Scheidungs- und Heiratsurkunde, Freundschaften verändern sich oder reduzieren sich im Laufe des Lebens auf einen überschaubaren Kreis des Erträglichen und selbst der Hund fällt einem für jedes hingehaltene Würstchen in den Rücken.
Am Ende erscheint also alles recht dünnflüssig, könnte man sagen. Es kommt wahrscheinlich darauf an, ob man in all diese explosiven Mischungen eintauchen kann oder sicherheitshalber doch lieber an der Oberfläche treibt. Als ein kleiner Tropfen von vielen (Verdammt!). Und was nun fester ist oder nicht, spielt dabei gar keine Rolle. Zum Leben brauchen wir beides - das zähe Blut wie das erfrischende Wasser.
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