12:38 / 27.09.2023.
Autor:
Autor:
Dana Jungbluth
Veröffentlicht:
27. September 2023, 12:38
Da saß ich nun. Inmitten einer mir bis dahin völlig unbekannten kroatischen Familie bei Tisch. Keine Zeit für gegenseitiges, vorsichtiges Beschnuppern. Mitten im Tagesgeschehen kamen wir dort, im Süden des Hinterlandes, in diesem versteckt gelegenen Familienhäuschen, an. Hier wohnten mehr Menschen, als es der Platz zunächst vermuten und tatsächlich - zumindest für gewohnt deutsche Verhältnisse - überhaupt zuließ.
Viele Augen, die mich neugierig musterten: Onkel, Tante, Cousins...und das Oberhaupt der Familie: Oma - die ich gleich Baba oder Baka nennen sollte. Das war ok für mich, war sie mir doch die allerliebste der gesamten in Kroatien und Deutschland verteilten Familie. Baba und ich verstanden uns blind, wenn auch nicht sprachlich. Gütige Blicke von Frau zu Frau reichten, wobei Baba trotz ihres harten Lebens eine bewundernswerte Dankbarkeit und Freude ausstrahlte. Oft saß ich in den kommenden Tagen mit Baka alleine auf der Terrasse oder im Garten, wurde stets mit liebevollen Küssen und Umarmungen bedacht, wobei ihr aufmunternd zuversichtlicher Blick auf mir ruhte. Wir brauchten wahrlich nicht viele Worte, um uns zu verständigen. Was wäre Baka mir in einigen Situationen zuhause in Deutschland eine große Hilfe gewesen, dachte ich oft. Ich wiederum durfte nie helfen, und drängte ich mich noch so verzweifelt auf. Das war Aufgabe der Schwiegertochter, die von früh bis spät damit beschäftigt war, um uns alle herum zu wischen, Einkäufe zu erledigen und uns mit kulinarischen Köstlichkeiten in der in diesem Sommer unerträglichen Hitze bei Laune zu halten. Umso erstaunter war ich, als die fleißige Tante mich eines Abends an eine große Schublade führte, wie zu einer geheimen Schatzkammer. Ihr eigener kleiner Bereich hütete tatsächlich einige Schätze, die sie in liebevoller Handarbeit selbst angefertigt hatte. Häkeln war ihre große Leidenschaft, das sah man in dem Häuschen schon auf den ersten Blick. Da ich selbst gerne und viel häkel, konnte ich den Stolz in ihren Augen, die mühevolle Arbeit, die dahinter steckte, sehr gut nachempfinden und wusste ihre großzügigen Geschenke aus ihrer Schatztruhe daher sehr zu schätzen. Wir sahen uns noch eine Weile interessiert einige Anleitungen an, zum gemeinsamen Häkeln jedoch war leider keine Zeit, der Mehrgenerationenhaushalt forderte sie rund um die Uhr. Dass man mir nicht auf die Finger haute, wenn ich wieder einmal versuchte, mit anzupacken, war eigentlich alles.
Die Cousins zeigten sich vornehm zurückhaltend, während der immer strahlende, lebensfrohe Onkel keine Gelegenheit ausließ, mich in seiner unbändigen Freude mitzureißen. So sah ich mich bei einem Abendspaziergang plötzlich samt Bekleidung im Meer wieder. Auch wenn es mir das von ihm provozierte und ersehnte herzhafte Lachen entlockte, wahrte ich ob meines nichtschwimmenden Reisepartners natürlich den ladyhaft gebotenen Anstand und ließ mich nicht auf munteres, wenn auch harmloses, Planschen ein.
Diese kroatische Familie war mir um ein Vielfaches angenehmer als die Kroaten, die ich bis dahin in meinem deutschen Umfeld hatte. Auch die Tante hätte mich sicherlich näher an sich herangelassen, hätte sie gewusst, dass ich zuhause in Deutschland keinen anderen Status genoss als sie. Eher lag meine Würde weit unter ihrer.
Im Laufe der Jahre war ich oft in Kroatien und lernte noch viele - trotz durchaus vergleichbarer kroatischer Eigenheiten - sehr unterschiedliche und interessante Menschen kennen. Nachhaltig beeindruckt haben mich dabei oft die beiläufigen und kurzen Begegnungen, meist mit älteren Menschen. Ich empfinde die beiden Kulturen, die deutsche und die kroatische, bis heute als sehr konträr zueinander, gleichwohl unsere Welten eng miteinander verwoben sind. Die Kroaten, vor allem die Alten, sind herzlich, offen und betrachten die Welt mit ihrem Herzen, nicht mit den nackten Augen. Sie haben den Blick für wahre Schönheit. Berührungsängste scheinen Kroaten insgesamt überhaupt nicht zu haben. Wie oft wurde ich dort sogar von wildfremden Menschen gedrückt oder getätschelt. Manchmal völlig aus dem Nichts, ohne jeglichen Anlass. Zunächst befremdlich für das reservierte, misstrauische deutsche Wesen. Und zeitgleich gerade deshalb so schön. Aber auch die Wert- und Moralvorstellungen unterscheiden sich meines Erachtens eklatant. Das merkt man in den kroatischen Familien wie aber auch gesellschaftlich sehr. Oft beneide ich die Kroaten darum, genauso wie ich in manchen Momenten erleichtert aufatme, nicht in bestimmten Strukturen gefangen zu sein. Andererseits stellt sich die Frage, welche Strukturen die besseren sind. Meine gewiss nicht.
Ich habe Kroatien inzwischen zu jeder Jahreszeit besucht, privat, familiär, geschäftlich, freundschaftlich, mit Partnern, Familie, alleine (herrlich!), kurz und auch lange. Über die Jahre haben sich gute Freundschaften entwickelt, wobei der Vertrauensaspekt in meinen Augen immer die größte Herausforderung, oder Prüfung, war. Aber das Problem besteht meiner Erfahrung nach bei etwa 98 Prozent der Menschen, egal, was in ihrem Pass steht. Bleibt also nicht viel übrig, wenn Sie mich fragen. Daher heißt es, die besten Freunde festzuhalten, wenn man sie gefunden hat.
Doch, ich kenne Land und Leute mittlerweile recht gut, habe von freudigen bis unglaublichen Erlebnissen schon etliches mit den Kroaten durchgemacht. Einst reiste ich sogar nach Kroatien, um mich von Kroaten zu erholen, aber das muss niemand verstehen. Hauptsache, mein zuverlässigster, starker deutscher Anker tut es, ohne groß nachzufragen, kennt er doch das sonderbare Land und seine Menschen ebenfalls zu gut. Er weiß es daher ohne überflüssige Worte sehr treffend zu beschreiben: mit einem ausgedehnten Augenrollen. In 98 Prozent der Fälle liebevoll gemeint, vertrauen Sie mir.
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