Inmitten veränderter globaler Sicherheitsumstände hat die kroatische Regierung dem Parlament eine Reihe von strategischen Verteidigungsdokumenten sowie Gesetzesänderungen vorgelegt. Im Zentrum steht die Wiedereinführung der verpflichtenden militärischen Grundausbildung, die seit 2008 ausgesetzt war.
Neben der neuen Verteidigungsstrategie und dem langfristigen Entwicklungsplan für die Streitkräfte der Republik Kroatien für den Zeitraum 2025 bis 2036 wurden auch Änderungen des Verteidigungsgesetzes sowie des Gesetzes über den Dienst in den Streitkräften eingebracht. Premierminister Andrej Plenković betonte dabei die sicherheitspolitische Notwendigkeit:
„Die globalen Sicherheitsbedingungen haben sich grundlegend verändert. Durch eine gut kalibrierte, angepasste militärische Grundausbildung schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass junge Generationen Fähigkeiten erwerben, die viele Jahrgänge bisher nicht erhalten haben. Damit stärken wir die Schlagkraft der kroatischen Armee“, so Plenković.
Die Grundausbildung soll ab Januar 2026 starten und zwei Monate dauern. Die jährlichen Kosten für den Staatshaushalt werden auf rund 20 Millionen Euro geschätzt. Die ersten Einberufungsbescheide an Rekruten werden für Ende dieses oder spätestens Anfang nächsten Jahres erwartet.
Ablauf und Organisation der Grundausbildung
In die Wehrkartei werden kroatische Staatsbürger im Alter von 18 Jahren aufgenommen. Die Einberufung zur Ausbildung erfolgt im Kalenderjahr, in dem sie 19 Jahre alt werden. In Ausnahmefällen können auch Personen bis zum Alter von 30 Jahren zur Ausbildung herangezogen werden. Vor Beginn müssen alle Rekruten eine medizinische Tauglichkeitsuntersuchung absolvieren. Bei Nichterscheinen kann die Polizei mit einer Vorführung beauftragt werden – hierfür sind Geldstrafen zwischen 250 und 1320 Euro vorgesehen.
Die Ausbildung wird in drei Kasernen stattfinden: Knin, Slunj und Požega. Pro Jahr sollen bis zu fünf Jahrgänge mit je rund 800 Rekruten ausgebildet werden – insgesamt bis zu 4000 Personen. Bei höherem Interesse will das Verteidigungsministerium die Kapazitäten ausweiten.
Während der Ausbildung erhalten die Rekruten 1100 Euro netto im Monat. Zusätzlich werden Verpflegung, Transport und Urlaub bezahlt. Die Zeit wird auf die Rentenversicherung angerechnet. Wer bereits berufstätig ist, genießt während des Dienstes Kündigungsschutz, die arbeitsrechtlichen Ansprüche ruhen. Für arbeitslose Rekruten gilt: Wer die Ausbildung absolviert, soll bei Bewerbungen im Staatsdienst oder bei regionalen Behörden bevorzugt behandelt werden – eine Regelung, die teils als diskriminierend kritisiert wurde.
Frauen: keine Pflicht, aber freiwillige Teilnahme möglich
Frauen unterliegen nicht der Wehrpflicht, können jedoch freiwillig an der Grundausbildung teilnehmen. Diese stellt auch eine Voraussetzung für die Aufnahme in den aktiven Militärdienst oder den Reservedienst dar.
Kritik an Ungleichbehandlung und unklarer Rechtslage
Trotz der Zustimmung im parlamentarischen Verteidigungsausschuss nach mehrstündiger Debatte gab es auch kritische Stimmen. Die kroatische Bürgerbeauftragte Tena Šimonović Einwalter äußerte verfassungsrechtliche Bedenken, insbesondere wegen der geplanten Bevorzugung von ausgebildeten Rekruten bei der Arbeitsplatzvergabe im öffentlichen Dienst. Sie sprach von Diskriminierung und kritisierte zudem, dass das Thema „Gewissensverweigerung“ und ziviler Ersatzdienst gesetzlich unklar geregelt sei.
Auch die Opposition schloss sich dieser Kritik an. Mehrere Abgeordnete betonten, dass nicht nur Frauen benachteiligt würden, sondern auch Männer, die das wehrpflichtige Alter bereits überschritten haben und somit keinen Zugang zur militärischen Ausbildung haben – etwa beim Wechsel ins Berufsleben.
Forderungen nach Ausweitung
Veselko Gabričević (HSU) forderte, dass auch Frauen verpflichtend am Wehrdienst teilnehmen sollen. Der parteilose Dario Zurovec regte an, die freiwillige Teilnahme auch für Personen über 30 Jahren zu ermöglichen.
Mit dem neuen Gesetzesvorschlag steht Kroatien vor einer sicherheitspolitischen und gesellschaftlichen Weichenstellung. Die parlamentarische Debatte dazu wird in der kommenden Woche erwartet.