Die Stimme Kroatiens

17:32 / 29.12.2025.

Autor: Natali Tabak Gregorić

Kroatische Diaspora entsetzt über Stuttgarter Christmette

OFM Zvonko Tolić
OFM Zvonko Tolić
Foto: HKMBerlin / -

Die Christmette, die die ARD zu Weihnachten übertragen hat, sorgt immer noch für Aufregung.

Die Reaktionen auf die Messe, die der deutsche Staatssender ARD zu Weihnachten aus Stuttgart übertragen hat, reißen nicht ab. Sie reichen überwiegend von Kopfschütteln bis Entsetzen.


Während der Live-Übertragung aus der katholischen Kirche St. Maria in Stuttgart lag in der Krippe ein erwachsener Mann, eingewickelt in nasses Reispapier, auf einem Strohhaufen. Der Schauspieler, der lediglich durch einen Strohhalm atmete, stellte das Jesuskind dar – oder sollte das zumindest. Die Künstlerin Milena Lorek hatte die Installation eigens für den Gottesdienst angefertigt.


Viele Fernseh-Zuschauer, Christen, aber auch Gläubige, die der Messe leibhaftig beiwohnten, assoziierten den Anblick dieses „Schleim-Jesus“ mit einem Alien. Sie empfanden ihn als zutiefst abstoßend.


In den sozialen Medien schlug die Christmette aus Stuttgart hohe Wellen.


Weiterhin hagelt es Kommentare wie „eklig“, „verletzend“ und „krank“. Der Kritik ist zu entnehmen, dass auch ein Großteil, der im deutschsprachigen Raum lebenden Kroaten, über diese künstlerische Installation schockiert ist.


Nun hat sich OFM Zvonko Tolić, Leiter der Kroatischen Katholischen Mission in Berlin und früher langjähriger Leiter der Kroatischen Katholischen Mission Stuttgart, in einem offenen Brief im Zusammenhang mit der Fernsehübertragung der Weihnachtsmesse aus Stuttgart, zu Wort gemeldet.



Seinen Brief, der erstmals auf seiner Facebook-Seite erschienen ist, veröffentlichten wir an dieser Stelle gänzlich:


Öffentliches Schreiben

Als katholischer Priester, der über Jahre hinweg in Stuttgart für die Seelsorge der kroatischen Gläubigen verantwortlich war, wende ich mich mit tiefer persönlicher Betroffenheit an die Öffentlichkeit. In meinem priesterlichen Dienst habe ich stets erfahren, dass der Glaube der Kirche die Grenzen von Sprache, Herkunft und Nation übersteigt. Gerade deshalb kann und darf ich nicht schweigen, wenn sich viele Katholikinnen und Katholiken – unabhängig von ihrer Herkunft – in ihrem Glauben verletzt fühlen.

Die im Fernsehen übertragene Christmette aus Stuttgart hat mich und zahlreiche Gläubige tief getroffen. Was – zusammen mit der Osternacht – zu den heiligsten Nächten des kirchlichen Jahres gehört, wurde in einer Weise gestaltet, die von provokativen Inszenierungen, sexuellen Anspielungen und Elementen geprägt war, die als Blasphemie wahrgenommen werden mussten. Dies alles geschah unter Berufung auf einen vermeintlichen künstlerischen Ausdruck.

Ich erhebe dagegen ausdrücklich Einspruch.

Ich habe in Stuttgart Menschen begleitet – getauft, getraut, beerdigt, mit ihnen gebetet, gehofft und gelitten. Unter ihnen waren Kroaten, Deutsche und Gläubige anderer Nationen. Für sie alle ist die Christmette kein kulturelles Ereignis, sondern ein heiliger Raum der Begegnung mit Gott. Dass gerade dieser Raum zur Bühne der Provokation wurde, empfinde ich als schweren Missbrauch liturgischer und geistlicher Verantwortung.

Aus theologischer Sicht ist Weihnachten die Feier der Menschwerdung Gottes.

„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14).

Dieses Geheimnis verlangt Ehrfurcht. Liturgie ist kein ästhetisches Experimentierfeld und keine Projektionsfläche persönlicher Botschaften, sondern Dienst am Glauben der ganzen Kirche. Wo dieses Mysterium verfremdet wird, verliert der Gottesdienst seinen inneren Wahrheitsanspruch.

Aus moralischer Sicht gilt: Künstlerische Freiheit entbindet nicht von Verantwortung. Freiheit endet dort, wo sie verletzt. Die bewusste Missachtung religiöser Überzeugungen ist kein Zeichen von Mut oder Fortschritt, sondern Ausdruck von Rücksichtslosigkeit. Eine pluralistische Gesellschaft lebt vom gegenseitigen Respekt – auch und gerade gegenüber dem Heiligen des anderen.

Als Priester sehe ich mit besonderer Sorge die Verletzung des christlichen Verständnisses menschlicher Würde.

„Gott schuf den Menschen als sein Bild“ (Gen 1,27).

Jesus Christus hat den Menschen niemals erniedrigt, sondern aufgerichtet. Er hat nicht provoziert, sondern geheilt; nicht verspottet, sondern geliebt. Wer in seinem Namen feiert, trägt Verantwortung für dieses Zeugnis.

Mit allem Ernst erinnere ich an die Worte Jesu:

„Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, man hängte ihm einen Mühlstein um den Hals“ (Mt 18,6).

Diese Worte sind mir als Priester Mahnung und Gewissensprüfung.

Ich weise entschieden zurück, dass Respektlosigkeit gegenüber dem christlichen Glauben als zeitgemäß oder notwendig gerechtfertigt wird. Wahre Kunst sucht Wahrheit. Wahre Freiheit kennt Grenzen. Wahre Humanität achtet das Gewissen des anderen.

Dieses Schreiben ist kein Angriff, sondern ein Zeugnis.

Kein Ausdruck von Hass, sondern von Verantwortung.

Kein Ruf nach Zensur, sondern nach Ehrfurcht.

Wer Weihnachten entleert, raubt den Menschen Hoffnung.

Wer Christus verspottet, verletzt die Würde des Menschen.

Als Priester, der Stuttgart verbunden ist und dem die Kirche in ihrer Universalität am Herzen liegt, konnte und wollte ich dazu nicht schweigen.



Viele seiner FB-Follower bedankten sich für seinen offenen Brief und merkten an, er würde ihnen aus der Seele sprechen.


Die ARD bzw. der SWR haben sich biher nicht zur Kritik geäussert. Der SWR erklärte am Samstag, dass für die Inhalte die katholische Kirche zuständig sei, hier das Bistum Rottenburg-Stuttgart. Für eine qualifizierte Einschätzung der Zuschauerredaktion sei es noch zu früh.



Das Bistum Rottenburg-Stuttgart teilte auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit, dass die Krippendarstellung durchaus ein kontroverses Echo auslöste. Rundfunkpfarrer Thomas Steiger habe die Darstellung allerdings gleich zum Auftakt des Gottesdienstes in der Kirche St. Maria in Stuttgart eingeordnet.



"Die Krippe zeigt einen echten Menschen. Er liegt dort, elend, nackt und bloß", so Steiger wörtlich. Der Mensch sei eingehüllt, "weil er zart und verletzlich ist und wir seine Würde und Intimität bewahren wollen; ganz schlicht und ohne Prunk, weil so Jesus geboren wurde wie jedes Menschenkind, wie du und ich. So radikal wird Gott Mensch; nah, berührbar, ohne Distanz, echt." (KNA)


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