Stimme Kroatiens: Mehr als tausend Pilger, eine große Zahl von Bischöfen, Priestern, Vertretern der kroatischen Regierung, Diplomaten, Mönchen und Nonnen, Wohltätern und Gläubigen aus Kroatien und der ganzen Welt warteten gespannt auf die 'Kroatische Pilgerfahrt' ins Heilige Land Anfang November letzten Jahres und die Eröffnungsfeier der Kapelle der kroatischen Heiligen und Märtyrer auf den Hirtenfeldern in Bethlehem. Aufgrund des Krieges in Israel ist es zu dieser Eröffnungsfeier nicht gekommen. Auch mussten die Arbeiten im Inneren der Kapelle gestoppt werden. Sie wurden aber vor einem Monat wieder aufgenommen. Die Kroatische Kapelle ist Teil eines Projekts zur Wiederbelebung der Hirtenfelder in den Vororten von Bethlehem. An der Wiederbelebung beteiligen sich auch Polen, Italien, Kolumbien, Argentinien und Spanien. Das Projekt umfasst sechs Kapellen – von denen die Kroatische zentral gelegen ist und sich über zwei Etagen erstreckt – sowie ein Jugendzentrum, Hallen und sanitäre Anlagen. Diese wunderbare Geschichte, aus der ein bleibendes Denkmal für unser Volk im Heiligen Land hervorging, dessen Grundstein am 10. Februar 2022 von Kardinal Josip Bozanić gesegnet wurde, begann in einem einfachen Café im Zagreber Stadtteil Opatovina. Sie verwandelte sich schnell in eine Träumerei, die dank der Liebe zu Gott seitens der Kroaten und ihrer unzerbrechlichen Verbundenheit mit der Heimat Jesu, die tief in die Geschichte zurückreicht, zur Realität wurde.
Tomislav Glavnik (OFMConv): Wir sind auf viele Hindernisse gestoßen, aber wenn man hartnäckig ist, seinen Traum verfolgt, dann verwirklicht sich dieser Traum. So ist das im Leben und ich sage oft, dass wir unsere Träume nähren müssen, um erfolgreich zu sein. So haben wir diesen hier ernährt, und jetzt, wo die Kapelle von außen fertig ist, ist die Arbeit an der Ausstattung im Gange. Das Inventar ist bereits angekommen und die Reliefs werden angebracht. Sie werden mit dem Platz im Raum in Einklang gebracht, geschliffen und für die letzte Lackschicht vorbereitet. Wir hoffen, dass in etwa 20 Tagen alles fertig sein wird und dass wir dann auf den notwendigen Frieden warten dürfen, um ins Heilige Land zu den Hirtenfeldern reisen zu können, und an der Segnung und Eröffnung der Kapelle der kroatischen Heiligen und Seligen teilnehmen werden.
Stimme Kroatiens: Apropos kroatische Pilgerfahrten. Bisher hat es schon mehrere gegeben, nicht wahr?
Tomislav Glavnik (OFMConv): Ja! Die erste war 1937, als der selige Alojzije Stepinac mit etwa 50 Pilgern ins Heilige Land pilgerte und dort einen Altar für den damals seliggesprochenen Nikola Tavelić errichtete. Seither versuchen wir, die kroatische Präsenz im Heiligen Land mit kleinen Schritten voranzutreiben. Sie war schon im Laufe der Zeit sehr wichtig und ist es immer noch. Ganz zu schweigen vom Kauf des Gartens Gethsemane, den die Kroaten den Franziskanern geschenkt haben, und in dessen Besitz er sich immer noch befindet.
Stimme Kroatiens: Die Geschichte der Verbindung der Kroaten mit dem Garten Gethsemane ist nur wenigen Menschen bekannt. Können Sie uns Näheres hierzu sagen?
Tomislav Glavnik (OFMConv): Das ist richtig. Im Jahr 1681 hatten drei bosnische Kroaten aus der Umgebung von Sarajevo, genauer gesagt aus Olovo, namens Pavao Antun und Jakov, als Bürger des damaligen türkischen Reiches die Möglichkeit, ohne Pass in diesem Reich herumzureisen. Sie genossen auch das Recht, Immobilien zu kaufen und zu verkaufen. Wahrscheinlich waren sich die Franziskaner der Tatsache bewusst, dass die Kroaten Katholiken waren. Daher baten sie sie nach Jerusalem zu gehen, um von sechs muslimischen Familien Flächenanteile des Gartens Gethsemane zu kaufen, von denen man zuverlässig weiß, dass dort Jesus am Gründonnerstag betete. Es ist ihnen wirklich gelungen, dieses Land zu kaufen. Der heutige Garten Gethsemane wurde so angelegt, wie es in den Evangelien beschrieben ist, und seitdem bis heute ist die Anwesenheit der Franziskaner an diesem heiligen Ort ununterbrochen geblieben. Der Garten ist ein Heiligtum. Vor zehn Jahren hatte ich die Gelegenheit, eine Gedenktafel im Garten Gethsemane in kroatischer, englischer und italienischer Sprache anzubringen. Mit dieser Tafel wollte ich an das Geschenk unserer dreier Landsleute erinnern.
Wenn man heute den Garten Gethsemane besucht, findet man dort Olivenbäume aus der Zeit Christi vor. Man sieht auch ein paar Olivenbäume, die die Päpste gepflanzt haben, die Pilger ins Heilige Land waren, und man sieht diese Tafel. Es ist eine wirklich große Gnade für die kroatische Sprache, dort präsent zu sein. Pilger aus der ganzen Welt, etwa 4 Millionen von ihnen, laufen pro Jahr an dieser Tafel vorbei und sehen, was die Kroaten einst getan haben und noch heute tun. Das ist wirklich eine große Sache.
Stimme Kroatiens: Diese Geschichte startete eigentlich beim Heiligtum unserer Lieben Frau von Olovo. Ist das richtig?
Tomislav Glavnik (OFMConv): Ja, das stimmt. Unsere Liebe Frau von Olovo ist das älteste Marienheiligtum in Bosnien und Herzegowina. Wir sind der Meinung, dass nichts zufällig passiert. Wenn die Menschen von einem guten Geist, guten und positiven Gedanken geleitet werden, und ich sage es noch einmal – wenn man Träume hat, kommt man im Leben voran. Träume sollten im Leben verfolgt und geträumt werden. Das sind nämlich die Ideale, für die der Mensch lebt.
Stimme Kroatiens: Besonders beeindruckend ist die Resonanz der Künstler, die sich an dem Projekt beteiligt haben. Während dieses Gesprächs erreichen uns aus Betlehem Fotos von Ilija Skočibušić, dem berühmten Bildhauer aus Tomislavgrad. Erzählen Sie uns bitte davon.
Tomislav Glavnik (OFMConv): Wenn wir über den generellen Bauteil sprechen, sollte gesagt werden, dass die lokalen Baumeister, Araber, Palästinenser, Christen am Bau der Kapelle beteiligt waren - und das neben dem Bau zweier anderen Kapellen; der Spanischen und Arabischen. Das sind unsere ersten Nachbarn hier auf den Hirtenfeldern von Bethlehem. Der Bau ist nun fertig und das Schöne an all dem ist, dass kroatische Künstler ihre Werke und somit sich selbst dort durch eine sehr persönliche Spende miteingebracht haben. Sie haben hier Herrn Ilija Skočibušić erwähnt, dessen Vorschlag für das Innere der Kapelle von der Franziskaner-Kustodie des Heiligen Landes angenommen wurde. Er hat sich vorgestellt, dass man, wenn man diese Kapelle betritt, einen Raum betritt, der komplett mit Holzreliefs des bosnischen Ahorns verkleidet ist.
Dieser Baum stammt also aus unserer Gegend. Auf der linken Seite ist eine Menge fliegender Engel und ein großer Engel als Bote für die Hirten der heutigen Zeit zu sehen. Dies spiegelt sich in dem Bild der Seligen und Heiligen des kroatischen Volkes wider; der Menschenmenge, die dem Licht entgegeneilt, das heißt der Stimme jenes Engels, der Gott in der Höhe die Ehre wegen der Geburt Jesu in Bethlehem singt. Die kroatischen Pilger schreiten in Richtung dieser ewigen Heimat. Hier sind alle Heiligen und Seligen unseres Volkes dargestellt. Eine Menge Leute.
Es sind auch Fahnen, Banner verschiedener Städte zu sehen, die hier zeigen, dass wir alle Pilger sind. Wichtig war auch zu erwähnen, dass wir ein marianisches Volk sind. Daher wollten wir in dieses hölzerne Relief unbedingt ein Relief aus Silber einfügen, eine Replik der Muttergottes des Steintors, das sich im Herzen der Stadt Zagreb befindet. Das ist nämlich das kleinste Marienheiligtum der Welt, das die Einheit von uns allen symbolisiert.
Unsere Absicht war es zudem, diese Replik der Gottesmutter in die Hände von zwei kroatischen Seligen aus dem Kosovo zu legen – dem seligen Serafin Glasnović und Anton Mužić, deren Identität oftmals bestritten wird. Ihnen wird oft nachgesagt, dass sie Albaner gewesen seien. Das waren sie aber nicht; sie waren ethnische Kroaten. Damit wollten wir das nochmal unterstreichen – zwei Kroaten tragen das Bild der Gottesmutter vom Steintor. Geschenkt haben es uns die Janjevo- und Letnica-Kroaten. Dies ist das Werk von Hrvoje Ljubić, einem akademischen Grafiker, Maler aus Zagreb. Dann sind da noch große Buntglasfenster zu erwähnen. 65 Quadratmeter Buntglasfenster, die von der Werkstatt der Brüder Kvesić aus Zagreb – 'Bokart Glass' hergestellt wurden.
Als die Franziskaner im Heiligen Land die Arbeit der Brüder Kvesić sahen, sagten sie, dass sie auch in allen anderen Kapellen im Heiligen Land Buntglasfenster aus der Werkstatt Bokart-Zagreb, Dugo Selo, anbringen werden. So werben wir also wieder für Kroatien. Das gesamte Definitorium der Franziskaner-Kustodie des Heiligen Landes war zudem von der Arbeit von Ilija Skočibušić begeistert. Sie überlegen nun, ob sie es für die Dekoration der Basilika von Nazareth, die seit fast 60 Jahren unvollendet ist, weil man nicht weiß, was man für die Vollendung benutzen soll, verwenden könnten.
Dann haben wir hier noch Bänke, die aus Vrbovec, aus der Werkstatt von Herrn Ivić Pasalic, der Bänke für die Kapelle in Bethlehem und für die Kapelle im Garten Gethsemane gespendet hat, zu uns kamen. Und dann ist da noch der Altar, der aus der Herzegowina zu uns kam.
Stimme Kroatiens: Mit 450.000 Euro wurde das Projekt auch von der kroatischen Regierung unterstützt. Haben die Finanzmittel für alles gereicht?
Tomislav Glavnik (OFMConv): Wir danken der Regierung der Republik Kroatien, insbesondere dem kroatischen Premierminister Andrej Plenković, der uns sofort seine Unterstützung durch das Ministerium für auswärtige und europäische Angelegenheiten durch den Minister Grlić-Radman zugesagt hatte. Das war uns wirklich eine große Unterstützung. Und das ist einer der ersten Schritte, die eine Regierung sozusagen unternimmt, um ihr Land im Heiligen Land zu fördern. Das ist hier nichts Ungewöhnliches.
Die Regierungen Spaniens, Italiens, Deutschlands, haben sich an dem Großprojekt ebenfalls beteiligt. So etwas geht regelmäßig über die Außenministerien. Und für das Innere der Kapelle kamen Spenden von verschiedenen Wohltätern aus Kroatien Bosnien und Herzegowina und der ganzen Welt.
Hier muss ich die Region Duvno in Bosnien-Herzegowina sehr loben, besonders die Stadt Tomislavgrad und die Menschen, die aus diesem Teil stammen und so herzlich gespendet haben. Hier opfern wir uns am Ende alle auf die eine oder andere Weise für die Entstehung einer schönen Perle unseres Volkes, die es in letzter Zeit im Heiligen Land hinterlassen haben, auf. Das Projekt ist rund 690.000 Euro wert. Ich wünschte, irgendein mutiger Wohltäter würde uns noch helfen, die Glasfenster und den Altar zu finanzieren. Ich nutze daher die Gelegenheit und lade hier all diejenigen, die sich in diese Arbeit miteinbringen wollen, ein, ins Kloster des Heiligen Geistes in Zagreb zu kommen und zu spenden, um ebenfalls ein Teil dieses schönen Mosaiks zu sein.
Stimme Kroatiens: Wann denken Sie, wird die Kapelle eröffnet werden?
Tomislav Glavnik (OFMConv): Wir erwarten, dass es in den nächsten Tagen einen Waffenstillstand im Heiligen Land geben wird. Wenn dies während des Ramadan geschieht, könnte dies wahrscheinlich auch den notwendigen Friedensprozess erleichtern. In einigen Erwartungen könnte es vielleicht der Monat November dieses Jahres sein, aber vielleicht wird es auch erst nächstes Jahr im März sein, denn dann werden wir uns an die 1100 Jahre des kroatischen Königreichs erinnern. Wir werden uns an die großen Konzilien erinnern – 925 war das Konzil in Split. Es besteht also die Möglichkeit, diese Jubiläen irgendwie mit der Eröffnung der Kapelle zu verbinden, die ein dauerhaftes Denkmal für unser Volk sein wird, aber auch ein Ort des Gebets, um Segen und Wohlstand für unser Volk zu erbitten, um fest im Glauben zu bleiben und sich nur eines bewusst zu sein – dass einem Menschen der glaubt, alles möglich ist. Denn ohne den Glauben an Gott und ohne den Glauben an den Menschen gibt es keine Zukunft."
Stimme Kroatiens: Wie kam es eigentlich zu der Tasse Kaffee, mit der alles begann?
Tomislav Glavnik (OFMConv): Wenn ich in die Vergangenheit zurückblicke, war es irgendwann im Jahr 2018, als ich zwei Franziskaner vor der Kirche des Heiligen Franziskus in Zagreb traf. Ich ging an ihnen zunächst vorbei. Doch dann erkannte ich einen von ihnen. Das war Pater Siniša Srebrenović. Damals war er der Hüter des Grabes Christi. Mit ihm war ein anderer Mönch; Marčelo aus Argentinien. Als wir ins Gespräch kamen, erzählte ich ihnen, was ich tue, was ich im Heiligen Land zu tun versuchte; dass ich versuchte, einen Altar und eine Statue des heiligen Petrus und des heiligen Nikola Tavelić, und des heiligen Hieronymus zu errichten, was ich in der Zwischenzeit auch geschafft habe. Dann sagte Pater Siniša zu mir: Warum beteiligt ihr Franziskaner euch eigentlich nicht an einem Projekt zur Wiederbelebung der Hirtenfelder? Ich fragte neugierig, wie das denn ginge. Daraufhin entgegnete er mir nur, worauf wir denn bisher gewartet hätten. Und dann habe ich gesagt, okay, wir machen das. Zu dem Zeitpunkt war mir nicht einmal bewusst, was ich da sagte. Aber es hat sich hier nur noch einmal meine Maxime bestätigt, dass Träume wichtig sind. Ideen sind wichtig und etwas Positives. Ich würde sagen, dass ich vielleicht der Erste war, der sich in dieses Abenteuer begeben hat, und der daran geglaubt hat, weil ich erkannte, dass es für die Menschen wichtig war. Tja, und so fing alles an.
Jemand könnte nun sagen, dass es sich bei dieser besagten Tasse Kaffee um eine der teuersten in Zagreb gehandelt hat. Sie kam nicht nur finanziell teuer zu stehen, sondern kostete auch Nerven und Zeit, geschweige denn von den Sorgen, die sie bereitete. Dieser Kaffee führte aber letztendlich zu einem freudigen Ereignis; und die Früchte unserer Wünsche werden wunderbar sein.