Beim Sortieren und Durchsehen meiner zahllosen Notizen, Tagebucheinträge, Gedichte, angefangener Arbeiten, Geschichten und Gedanken bin ich die Tage auf einen Text vom 9. Februar 2021 gestoßen:
18:05 / 15.05.2023.
Autor:
Autor:
Dana Jungbluth
Veröffentlicht:
15. Mai 2023, 18:05
Beim Sortieren und Durchsehen meiner zahllosen Notizen, Tagebucheinträge, Gedichte, angefangener Arbeiten, Geschichten und Gedanken bin ich die Tage auf einen Text vom 9. Februar 2021 gestoßen:
Angst, nach Hause zu kommen
Kein Mensch der Welt sollte sich davor fürchten, in sein Heim zu kehren! Die Familie sollte der sicherste Ort für jedermann sein. In vielen Situationen schaut die Realität allerdings anders aus. Ob es das Schulkind ist, das Angst hat, seine Eltern über die schlechte Note zu informieren, der Partner, der gerade fremdgegangen ist, die Frau, die zuhause geschlagen wird oder die Kinder, die später als mit den Eltern vereinbart zurückkommen. Manchmal bereitet einem die Heimkehr wenig bis größere Magenschmerzen, wobei diese in der Regel verschwinden, je trauter das Heim ist.
Vielleicht gibt es aber auch positive Gründe, die einen bezüglich der Heimreise verängstigen oder sorgen. Wie Sie wissen, betrachte und fühle ich Kroatien als meine Heimat. Daher freute ich mich im letzten Jahr kurz nach Ankunft über die liebevolle, ehrliche Begrüßung "Welcome home" eines Freundes! Ein Herzhüpfmoment, den ich auf ewig in mir tragen werde!
Was aber ist dieses Jahr? Die Begrüßungen werden gewiss dieselben Herzensmomente wie immer in Kroatien sein. Ob wir aber wohl problemlos dort hin reisen können? Gehen wir mal vom besten Fall aus, so scheue ich mich dennoch davor. Als ich im letzten Jahr wieder gen Deutschland abreisen musste, wusste ich, dass keine gute Zeit auf mich zukommt. Ein Gefühl eben. Das sich bestätigen sollte. Demnach müsste ich mich eigentlich umso mehr auf mein geliebtes Kroatien freuen! Nach Monaten der Isolation und auch verzweifelten und traurigen Momenten habe ich wirklich Angst davor, wie es sein wird, in relativer Normalität anzukommen. Man bekommt ja doch einiges mit aus Kroatien und stellt fest, wie unterschiedlich die Dinge im Ländervergleich gerade laufen. Ich glaube, dass dies vielen Menschen in Kroatien gar nicht bewusst ist, wie es sich zum Beispiel seit langem in Deutschland oder Österreich verhält. Oder besser gesagt, wie es sich hier gerade anfühlt und wie es einen verändert. Mir persönlich geht es wirklich oft so, dass ich kaum glauben kann, was ich auf Bildern oder Videos aus Kroatien sehe. Menschen auf der Straße. Zusammen. In Gruppen. Beim Einkaufen, Schlendern, Unterhalten. Dies mögen für viele keine besonderen Dinge sein, für mich jedoch ist dies gerade ein großes Stück, das mir im Herzen zum Leben fehlt. Hinzu kommen Berichte über Besuche und Unternehmungen mit Freunden oder der Familie. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich gönne diese wertvollen Momente des Lebens jedem einzelnen Menschen von ganzem Herzen und freue mich sehr für die Glücklichen; ebenso wie ich mich auch an etwaigen Berichten oder Bildern dazu erfreue!
Und dennoch erscheint es mir manchmal so, als weiß man die Dinge nur dann zu schätzen, wenn sie einem fehlen. So sehr, dass das Herz weint. Vor gleichzeitiger Freude, aber auch Traurigkeit und Sehnsucht.
Aber wovor habe ich dann Angst? Ich kann nach dieser langen Zeit der sozialen Distanz auf allen Ebenen nicht mehr einschätzen, wie ich auf menschliche Nähe reagieren werde. Wir wissen ja alle, wie Sie, liebe Kroaten, sind! Herzlich! Und ich komme mir dagegen immer mehr vor wie ein verängstigtes Kaninchen, das auf jede Nähe und Menschenmasse am Tage X nur schreckhaft und misstrauisch reagieren wird. Weil ich es nicht mehr kenne und scheu geworden bin. Wie viele Fachleute derzeit so schön zu sagen pflegen: das Ganze macht was mit einem. Ja. In der Tat. Man verlernt das Miteinander, das Vertrauen, die Freude. Und derart gebrochen und gesellschaftsunfähig ins traute Heim zurückzukehren, wo niemand Schuld an diesem Zustand trägt, erfüllt einen mit einem schlechten Gewissen. Und Angst.
Ich erwarte von niemandem, dass er eventuell entstandene Wunden heilt. Von meinem Zuhause wünsche ich mir lediglich Verständnis und die Zeit, die ich dann auch zur mentalen Ankunft benötigen werde. Mein trautes Heim Kroatien mit seiner riesigen Familie darin wird mir dies bieten können. Ich weiß lediglich nicht, was ich dann überhaupt noch imstande zu bieten bin.
Dass ich diesen Text geschrieben habe, ist nun sogar schon mehr als zwei Jahre her und beim nochmaligen Durchlesen könnte ich in Tränen ausbrechen. Viel passiert ist seitdem und doch nichts.
Das Schlimmste ist, ich erinnere mich nicht mehr. Ich weiß nicht, wie mein Jüngster zu dieser Zeit ausgesehen, welche Entwicklungsschritte er gemacht oder was er am liebsten gespielt hat. Doch ich weiß sehr wohl noch, wie sehr ihm andere Kinder gefehlt haben oder dass mein Großer etliche Ängste durchgestanden hat, deren Narben noch längst nicht verblasst, manche nicht einmal verschlossen sind. Diese Zeit ist weg, sie fühlt sich an wie ein schlechter Traum im Dornröschenschlaf, einzig der sanfte Kuss auf die zerbrochen-zarte Seele beim Erwachen fehlt. Was bleibt, ist ein Hamsterrad, das sich weiterdreht, als wäre nichts gewesen, nur die Kinder sind plötzlich größer und man selbst um 100 Jahre gealtert.
In Kroatien waren wir im Jahr der oben stehenden Zeilen übrigens nicht. Auch nicht im letzten Jahr. Und auch dieses Jahr wird es nichts mit meiner Heimat, die ich ebenfalls schon zu vergessen beginne. Ich sehe Bilder und weiß nicht mehr, wie es sich anfühlt, dort zu sein. Dass es das schönste Gefühl für mich ist, sehr wohl, aber es ist nicht mehr greifbar. Wie eine unerreichbare Traumwelt, die so konträr zur Realität ist, dass ich nicht nur nach wie vor große Angst vor der Heimkehr habe, sondern viel mehr davor, nie wieder Heimat fühlen zu können.
Vijesti HRT-a pratite na svojim pametnim telefonima i tabletima putem aplikacija za iOS i Android. Pratite nas i na društvenim mrežama Facebook, Twitter, Instagram i YouTube!
Autorska prava - HRT © Hrvatska radiotelevizija.
Sva prava pridržana.
hrt.hr nije odgovoran za sadržaje eksternih izvora