Über den Wolken
Foto: Dana Jungbluth / HRT
Bald ist es wieder so weit: Die Ferienzeit beginnt und lockt die im Winter träge gewordenen, in ihren gut gefütterten Körpern gefangenen Gemüter hinaus in die Sonne. Bevorzugt in die Teile der Welt, wo sie denn auch zu scheinen pflegt. In Kroatien zum Beispiel.
Sind Sie auch schon voller Vorfreude auf Ihren Heimatbesuch, den wohlverdienten Strandurlaub, den Aufenthalt bei der Familie, das einfache Camperdasein, wohltuenden Hotelservice inklusive Kinderbespaßung, die Erkundung neuer Gegenden, das Knüpfen privater und beruflicher Kontakte oder einfach das ungläubige Betrachten des wahnsinnig leuchtenden Balls am Himmel? So unterschiedlich wir alle sind, so vielfältig sind unsere individuellen Beweggründe des Reisens. Nirgends lässt sich diese einzigartige Atmosphäre verschiedener Menschen und Kulturen mit ihren jeweiligen Eigen- und Besonderheiten bestaunen und genießen wie am Flughafen. Dort - nicht im Netz - trifft sich die Welt. Mit ihren sie liebenden, treuen Kindern, von denen jedes auf seine Weise, doch in der Mehrheit auch unter dem Mantel seiner Herkunft, hervorsticht. Stundenlang könnte ich mich in diesem Treiben aus vielsprachigem Stimmenwirrwarr, englischen Lautsprecherdurchsagen, Kerosingeruch und Turbinengeräuschen, Hektik und Gelassenheit, Neugier, Aufregung und nackter Authentizität verlieren. Eine Tankstelle des Lebens, in der Zeit trotz ihres unaufhörlichen Drucks nicht von Bedeutung ist. Es mag daher nicht verwundern, dass ich einst auch beruflich über den Wolken, der Weltbegegnungsstätte, unterwegs war. Gemeinhin unter dem Begriff Saftschubse bekannt, machen sich selbe übrigens ebenfalls einen Spaß aus netten Umschreibungen für die Passagiere; wobei vom unbegleiteten Kind bis zum professionellen Vielflieger keiner zu kurz kommt. So sorgen Cockpit und Kabine während des stupiden Schubsens und automatischen Fliegens nicht etwa für Ihre angenehme und vor allem sichere Reise, sondern einzig und allein für ihre eigene Unterhaltung.
Die Show beginnt schon direkt beim Boarding, bei dem das aufmerksame Stewardessenauge die Lage nach etwaigen Gästen mit besonderem Betreuungsbedarf gleich abcheckt. Im Flieger wandeln sich die am Airport nach weiter Welt wirkenden Menschenmassen just zu ihrer, dem jeweiligen Ziel entsprechenden, eigenen kleinen Crowd. Seien es voll besetzte Sylt-Flüge mit Champagner schlürfenden Damen, die ihr aufgesetztes Leben in Form von in Louis Vuitton gebetteten Schoßhündchen zur Schau stellen, deren pflegeleichte, äußerst höfliche Ehemänner auf den wohltuenden Businessflügen, grölende Besucher des 17. deutschen Bundeslandes oder des Nachts purer tunesischer Lebensdrang in allen erdenklichen Facetten - man stimmt sich vollends auf seine ausgewählte Zielwelt ein. Doch eines vereint die Vielfalt der Airliner auf Zeit miteinander, so konträr sie mitunter sein mögen: Unter ihnen allen finden Sie dieselben Arten von Flugreisenden vor. Da sind die Flugängstler, wahlweise sich übergebend, schwitzend oder betend. Die lustigen Detektive, die alle Mitreisenden gedanklich auf ihr gottgegebenes Absturzpotenzial checken. Die obercoolen, routinierten Vielflieger. Die Regelfanatiker. Die Lauten. Die Stummen. Die Überforderten. Nervigen. Unfreundlichen. Diskutierenden. Fragesteller und Klingelnden.
Natürlich bringen die Kroatien-Flieger - wie könnte es anders sein? - noch ihre Extraportion Unterhaltung mit. Da liegt eine Mischung aus völlig Flug-overdresseden Frauen mit Oversized-Sonnenbrillen, frisch frisierten, After-Shave-überladenen Möchtegern-Machos, vor sich hin grummelnden, aber liebenswerten und aus Machozeiten herausgewachsenen Herren, herzlichen Übermüttern, Babygequieke und sich für keine Sprache entscheiden könnenden Jugendlichen im wahrsten Sinne in der Luft; wobei mir persönlich sowohl als PAX als auch als FA die jungen und alten Mamis die liebsten sind. Gerne hält man da ein nettes Schwätzchen oder hilft bei der Kinderbetreuung, während die über Stewardessenbeine gaffenden Jungspunde im Schachbrettmuster in einer kurzen Pause des geübten Dauergrinsens in meinen Augen bestens bedient sind. Gekonnt freundlich natürlich. Aber sind ja nicht alle so, nein nein. Es gibt auch Schlimmere. Zum Beispiel die typischen Urlauber, die schon in Badelatschen und 90er-Spaghettiträger-Style bei Ankunft vom Flieger gleich ins Meer springen. Das sind in der Regel Deutsche, die mit kroatischen Prestige-Sitten nur wenig bis gar nichts am Hut haben. Vor allem nicht außerhalb der eigenen vier Wände in der großen, weiten Welt. Man fragt sich zwangsläufig, was für die waschechten Kroatien-Kroaten eigentlich die größere Zumutung sein mag: der Anblick käsiger Deutscher in hässlicher Ferien- (respektive Strand-) bekleidung oder die einen optisch teilweise erschlagenden, aufgebrezelten Deutsch-Kroaten? Man mag nicht aussprechen, was ein alter Ivan zu beidem wohl sagen könnte...
Nach einem Tag in der Luft dürften jedenfalls jedem Passagier ganz andere Begriffe als Saftschubse in den Sinn kommen. Bedenken Sie das bei Ihrem nächsten Flug, wenn Sie das Bordpersonal in gewohnter Freundlichkeit willkommen (und in aller Regel bestens umsorgt) heißt.
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