Die Stimme Kroatiens

17:30 / 02.03.2023.

Autor:

Kindererziehung - auf kroatische oder deutsche Art?

Spielplatz Kroatien

Spielplatz Kroatien

Foto: Dana Jungbluth / HRT

Womit droht man eigentlich Kindern in Kroatien, wenn sie sich nicht benehmen? Oder zählt man da auch bis 3 und es passiert nichts?

Erst heute musste ich unter Androhung von Verboten, Strafen und anderen unsinnigen „Konsequenzen“, aber natürlich auch mit süßen, belohnenden Verlockungen, meinen Jüngsten irgendwie dazu bewegen, endlich seine Medizin einzunehmen. Doch, doch – auch gutgemeinte Versuche pädagogisch wertvoller Vorgehensweisen (wie etwa der hundertsten Erklärung, wofür die Medizin gut ist, sowie Kuscheltierbeistand und stolzem Zureden ob des schon so großen Jungen) reihten sich in mein verzweifeltes Bestreben, das verdammte Kind möge endlich die Klappe halten und einfach die bescheuerte „Hundekacka-Medizin“ nehmen, damit es nach zweiwöchiger Krankheit einfach wieder auf die Beine kommt, ein. Doch, ich habe es versucht. Im Guten, im Schlechten, im Lustigen, Lieben, Lauten, Manipulativen. Schlussendlich half nur die Drohung samt inszeniertem Telefonat mit der Ärztin, dass nur noch das Krankenhaus - mit selbiger Hundekacka-Medizin (!!!) - helfen könne. Zack – geklappt. Böse, ich weiß. Verzweifelt, unfähig und armselig, ja. Aber es hat geklappt und der Hausfrieden war somit wiederhergestellt. Also Eins zu Null für mich, würde ich sagen. Auch altbekannte Gesellen wie Hans Muff, Nachtkrapp und Struwwelpeter stehen hier nach Bedarf auf der Matte. Da werden im Nu die Nägel geschnitten, das Feuerzeug nicht angefasst und manchmal sogar die eklige Suppe gegessen, die allem Anschein nach obendrein auch noch vergiftet zu sein scheint. Kindererziehung stellt eine Lebensherausforderung dar, die man Nicht-Eltern ehrlicherweise nur anhand beispielhafter Filme wie dem Exorzisten oder den Gremlins beschreiben müsste. Stattdessen gratulieren wir den verlorenen Seelen höflich zur Schwangerschaft. Dass dies insgeheim die pure Schadenfreude bedeutet, werden sie dann begreifen, wenn es zu spät ist. Zu spät, um oberschlaue Erziehungspläne aus Nichtelternzeiten noch umsetzen zu können. Die werden im Prinzip schon im Mutterleib von den nervtötenden Zuckerbündeln zunichte gemacht, indem sie einen derart verweichlichen, dass man zum klaren Denken fortan gar nicht mehr in der Lage ist. Aber sie werden sehen. Und sich vielleicht ebenfalls an die Worte ihrer eigenen Eltern erinnern, die einst genugtuend sagten, dass sie eines Tages alles zurückbekommen würden. Was lehrt uns das? Immer auf die Eltern hören, liebe Kinder! Sie werden (meist) Recht behalten.

Kroatische Mütter, oder auch Elternpaare, die ich im Laufe der Jahre beobachtet habe, machen bei der Kindererziehung durchgängig kurzen Prozess, gepaart mit großem Tamtam. Ein wohlklingendes, zischendes „Ništa!“ reicht da beispielsweise völlig aus, um das nervig nörgelnde Kind an der Kasse bestimmt in seine Schranken zu weisen. Ebenso können Sie in Kroatien aber auch Zeuge anderer unterhaltsamer Erziehungsschauspiele werden, bei denen ich persönlich immer grinsend an die Worte meines Ältesten denken muss, mit denen er meine angeblichen öffentlichen Szenen beanstandet. Warum ich ihn immer so laut zurechtweisen müsse, sodass es jeder Fremde mitbekäme, fragt mich das unschuldige Kind stets, nachdem es selbst mit leidender Mine und Krokodilstränen aller Welt dargeboten hat, wie schlecht es ihm mit seiner schrecklichen Rabenmutter doch geht. Meine Antwort lautet daraufhin immer gelassen, dass das Jugendamt auf diese Weise hoffentlich Wind bekäme von meinem Erziehungsstil, um meine armen Kinder (bitte!) endlich abzuholen. Zum Glück kapiert der kleine schlaue Kerl meinen Humor besser als so manch stiller Mitleser meiner bedeutungsvollen Zeilen. Doch etwas richtig gemacht. In Kroatien jedenfalls fallen lautstarke Szenen nicht weiter auf; eher schließt man sich dieser noch solidarisch an, wenn kleine Rotzlöffel sich Erwachsenen gegenüber nicht zu benehmen wissen, während auf deutschen Spielplätzen in der Tat wahrscheinlich schon das Jugendamt irgendwo lauert, wenn man sein Kind nicht um Erlaubnis zum Anschubsen auf der Schaukel bittet. In Kroatien bekommen Sie derweil Standing Ovations für lautstarke Ansagen an freche Kinder. Ganz gleich, ob es sich dabei um Ihre eigenen oder fremde handelt. Dort braucht es eben noch ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. In Deutschland zeigt sich das Scheitern dieser wertvollen Lebensweisheit allein am morgendlichen Busfahren, bei dem auch nicht nur eine einzige der einsteigenden Motzkühe ihre herunterhängenden Mundwinkel zu einer respektvollen, freundlichen Begrüßung formen kann. Stehen lassen sollte man sie. Aber das riefe ja gleich wieder die Behörden auf den Plan. Auch deutsche und kroatische Spielplätze bieten ein sehr konträres Bild elterlicher Einstellungen. In Deutschland trifft man auf dem Spielplatz eher Mütter an, ausgestattet mit komplettem Outdoorequipment bestehend aus Lauf-, Drei- und sonstigen Fahrrädern, Bällen, Sandspielzeug bis hin zu elektrischen Autos, damit dem verwöhnten Nachwuchs auch ja nicht langweilig draußen wird. Gesunde Snacks, Sonnenschutz, Wechselkleidung und eine Notfalltasche für eventuell notwendige Beinamputationen runden das Gepäck des Großausfluges ab. Unterhalten wird sich über die Kinder, entzündete Brustwarzen vom Stillen und unmögliche Mütter, die die Gepflogenheiten deutscher Kinderspielplätze offensichtlich noch nicht verinnerlicht haben. Erkennen können Sie diese etwa an fehlender Spielplatzbekleidung für die Kinder, Chips statt geschnittenem Obst, Make-Up, unpassenden Gesprächsthemen oder dass sie es wagen, sich entspannt hinzusetzen, anstatt ihr Kind bei allen Spielgeräten händchenhaltend zu begleiten. Der Besuch eines kroatischen Spielplatzes wirkt dagegen wie eine Wellnessoase für Eltern. Entweder finden Sie dort unbeaufsichtigt spielende Kinder vor, die fantasievolle Abenteuer aus Steinen, Stöcken und anderen Geschenken der Natur kreieren oder eben Mütter, Väter, aber auch Tanten, Nachbarn und Freunde kleinerer Kinder, die das Treffen auf dem Spielplatz zur genussvollen Auszeit gestalten, während die Kinder zufrieden den Geschmack von Sand oder ihre Kletterkünste mit der unbeeindruckten Inkaufnahme diverser Schrammen und anderer Verletzungen austesten. Die Eltern, sichtlich froh, dass die Kleinen sich alleine beschäftigen, genießen währenddessen mit großem Gelächter ihre Erwachsenengespräche bei einem kühlen Bier und nach Geschmack einer Zigarette dazu. Da gucken weder Kinder noch Behörden und geschweige denn andere Eltern blöd. Man fragt sich indes, für wen diese Plätze tatsächlich errichtet wurden. Den kroatischen Kindern würde offensichtlich auch ein einfacher Wald- oder Straßenboden zum Spielen ausreichen. So kenne ich das noch aus meiner eigenen Kindheit, in der es auch hier noch genauso war wie heute in Kroatien. Wir waren draußen und Hausarrest unsere höchste Strafe. Heutzutage betteln die Kinder förmlich um diese Folter, die sie als endloses Chillen betrachten und umgekehrt zum Foltern der Eltern ausnutzen.

Wie aber geht man nun mit schlechtem Benehmen bei Kindern um? Nicht, dass ich das durch meine seinerzeitige Erzieherausbildung nicht sowohl theoretisch als auch praktisch wüsste. Doch 20 fremde Kinder im Zaum zu halten ist etwas völlig anderes, als die eigene Brut zu bändigen. Kinder sollen natürlich nicht parieren, das ist gar nicht der Punkt. Für eine gesunde Entwicklung ist Rebellion – gerade gegen die eigenen Eltern – unabdingbar und nur so können sie ihren eigenen Weg finden. Laut meiner Kinder bin ich oftmals die schlimmste Mutter der Welt, wobei in der Regel die schönste, liebste, kuscheligste, tollste und beste überwiegt, womit ich ganz gut leben kann. Ich sage mir immer, solange meine Kinder sich anderswo zu benehmen wissen und auf meine allabendlichen Schmuseeinheiten bestehen, habe ich alles richtig gemacht. Das beruhigt jedoch nicht in Situationen der völligen Eskalation in den eigenen vier Wänden. Da lässt es sich super arbeiten. Bei Videokonferenzen oder Telefonaten beispielsweise zieren Schweißperlen aus purer Angst, die Kinder könnten diese mit einer Überraschung ihrer ganz eigenen Art sprengen, meine Stirn, begleitet von der immerwährenden Sorge, dass sich das Elterntourette, unter dem ich leide, versehentlich mal in meinen Texten („Verdammt nochmal, hört die Prügelei endlich auf!“) niederschlagen könnte.

Der situationsorientierte Ansatz ist in der Pädagogik meines Erachtens die beste Wahl. Sie verfolgen ihn anhand Ihres Bauchgefühls, entsprechend Ihrer individuellen Gegebenheiten und fernab von oberschlauen Nichteltern-, Pädagogen- und Gesellschaftsdebatten. Auch, wenn Kinder und Jugendliche sowohl in Kroatien als auch in Deutschland sicherlich dasselbe jammernde und nörgelnde und bis zur Weißglut treibende Wildschweinverhalten an den Tag legen können, sind allgemeingültige Erziehungsratgeber ein Trugschluss, da diese die individuelle Persönlichkeit eines heranwachsenden Menschen mit all seinen Bedürfnissen und Empfindungen völlig außer Acht lassen. Und das können einzig und allein die Eltern korrekt einschätzen. Doch einen für alle Eltern hilfreichen Rat möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: Will das doofe Kind seine Medizin nicht nehmen, trinken Sie zur eigenen Beruhigung einfach selbst die Flasche.

Vijesti HRT-a pratite na svojim pametnim telefonima i tabletima putem aplikacija za iOS i Android. Pratite nas i na društvenim mrežama Facebook, Twitter, Instagram i YouTube!