Die Stimme Kroatiens

10:30 / 05.06.2023.

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Im Spiegel das Miteinander

EU-Flagge

EU-Flagge

Foto: Dušan Cvetanović / Pexels

Die ausgelassene Feierlaune der Türken in Deutschland zu Ehren "ihres" Präsidenten Erdogan lässt die Diskussionen um Integration einmal mehr entfachen. Mich persönlich verwundert der fehlende Integrationswille mancher Menschen im Vergleich zu den ebenfalls fehlenden Anreizen dazu keineswegs mehr.


Zwar beschleicht einen in der Tat der Gedanke, was die Türken eigentlich in Deutschland wollen, wenn ihr absolutes Heil in einer Türkei unter Erdogan zu liegen scheint; zeitgleich muss dann jedoch auch die Frage gestattet sein, was beispielsweise den ausgewanderten oder im Ausland geborenen Deutschen das Geschehen in seinem Herkunftsland eigentlich juckt? Man könnte einfach mal nüchtern zu erfassen versuchen, in was man sich in Deutschland überhaupt noch integrieren könnte oder sollte. Die Corona-Krise hat deutlich hervorgebracht, dass es hier nichts mehr gibt, das unser autochthones Volk noch miteinander vereint, wir scheitern doch selbst schon an unserer immerzu geforderten Integration. Für zugezogene Neubürger also denkbar unattraktiv. Zu was soll man sich da zugehörig fühlen? Zu der traditionsablehnenden und klimaklebenden Generation Z, zu den flaschensammelnden, vernachlässigten Restkirchengängern, zu den duckmäuserischen, identitätslosen Traumtänzern, die wahrscheinlich am allerwenigsten solche sind, oder zu dem Überbleibsel freudloser und frustrierter Konservativer? Alles nicht recht verlockend, erst recht nicht, hat man seine bevorzugte Crowd ohnehin in Scharen um sich, was auch erklärt, dass selbst die dritte und vierte Generation von etwa in Deutschland lebenden Türken eine Integration überhaupt nicht nötig hat. Wozu auch? Läuft bei denen. Der Deutsche kann derweil sein Gruppen- und Zugehörigkeitsgefühl über eine spärliche Auswahl suspekter Ideologien befriedigen. Oder auswandern.


Und dann? Sind Deutsche die Vorzeigemigranten mit beispielhafter Integration schlechthin? Schaut man sich etwa in Kroatien um, denke ich das nicht. So wie hierzulande die Türken unter Allahu-Akbar-Rufen "ihre" Landesflagge schwenken, setzt der protzige Deutsche seine Schickimicki-Bauten nicht mehr nur noch an die ohnehin schon zugeklatschte kroatische Küste, sondern weitet diese Geschmacklosigkeit gar schon ins Hinterland aus. Um den dort mitunter in einfachsten Steinhäuschen lebenden Menschen eine Freude zu machen, nehme ich an. Und man hat ja schließlich hart dafür gearbeitet, schafft eventuell sogar Jobs, geht also klar. Dafür muss man sich dann auch nicht um Verständigung bemühen, sprechen die Kroaten einen ohnehin meist auf Englisch oder sogar Deutsch an. Da kommt man schwerlich zum Lernen der Landessprache. Und natürlich spricht jeder die Sprache, in der er auch allgemein zu denken pflegt, gerade in seinen eigenen vier Wänden oder unter "seinesgleichen", bevorzugt. Würden kroatische Schulklassen irgendwann zur Mehrheit aus deutschsprachigen Kindern bestehen, ginge auch dort zwangsläufig der Sinn für die kroatische Sprache verloren, behaupte ich. Ganz gleich, wie gut die deutschen Kinder Kroatisch auch sprechen würden, der Zugang dazu, aus deutschem Elternhaus kommend, bliebe in der Gesamtheit ein anderer. Das ist im Grunde genommen wie mit länderspezifischen Feiertagen und Festen. Natürlich kann ich mich diesen als Migrant anschließen, sie genießen, eventuell sogar überzeugt zelebrieren. Aber werde ich sie im Hinblick auf meine eigene Herkunft, meine anerzogenen und erworbenen Werte und fehlende gemeinsame, somit verbindende, Erinnerungen jemals verinnerlichen, aus vollem Herzen leben können? Ich weiß es nicht, bezweifle es aber.


Jeder Mensch ist anders geprägt, was in der sich heute schnell vermischenden Welt immer öfter und deutlicher zutage tritt. Es begegnen einem dabei auch Menschen, die voller Überzeugung sagen, dass sie für "ihr Land" sterben, es bis aufs Blut verteidigen würden. Ich muss es für mich nicht genauso fühlen, um es wenigstens nachvollziehen zu können, warum sie das meinen. Doch sehe ich dabei statt offenen Armen meist eher eine bockige Abwehrhaltung, mit der man sich ob seiner Verzweiflung lediglich in ebenso lächerliche Extreme flüchtet, die man selbst zu bekämpfen vorgibt. Ob das der richtige Weg zur Erhaltung von Werten, Errungenschaften und Kultur ist? Ob das hilfreich für ein friedliches Zusammenleben oder doch nicht eher förderlich für die Entstehung und Festigung von Parallelgesellschaften ist? Ich habe kein Patentrezept für den gesellschaftlichen Wandel, in dem wir uns befinden. Vielleicht könnten wir in einem ersten Schritt, anstatt uns machtdemonstrierendem Fahnenschwenken, gefährdendem Klimakleben oder fundamentalistischem Beten anzuschließen, einfach zusammen ein Eis essen und dabei völlig unaufgeregt über das Klima, Gott und die Welt quatschen. Oder einfach über die jeweiligen Lieblingseissorten, vielleicht ist eine dabei, die allen mundet.


Jeder sucht nach einem möglichst vorteilhaften Lebensstil entsprechend seiner eigenen Vorstellungen und fühlt sich umgeben von Gleichgesinnten am wohlsten. Menschlich allzu verständlich. Doch bevor wir über Integration streiten, sollten wir uns zunächst deren Definition zu Gemüte führen, um kleinlaut festzustellen, dass wir alle an uns arbeiten und (neu) zueinander finden müssen. Ob uns das schmeckt oder nicht. Am allerwenigsten dürfte uns dabei der Blick in den Spiegel gefallen, der uns wunderbar ehrlich vor Augen führt, wie wir selbst sind. Oftmals nämlich keinen Deut besser, da hilft auch kein infantiles Armeverschränken. Direkte Gespräche, geprägt von Neugierde, ehrlichem Interesse, Unbefangenheit und Rücksichtnahme, also von Verhaltensweisen, die man sich ebenfalls von seinem Gegenüber wünscht, offenbarten uns bestimmt überraschende Tatsachen und Gemeinsamkeiten. Ein Weg, bei dem sich die theatralische Sterbebereitschaft doch gleich erübrigen würde. Zeitgenossen, die einen Diskurs schon aus Prinzip verweigern, sind hingegen weder Mühe noch Aufregung wert. Sollen sie doch unbehelligt und fähnchenwedelnd ihrem jeweiligen Heilsbringer huldigen; vielleicht kommt der Tag, an dem auch sie begreifen, dass sie ihr Leben und Glück selbst in der Hand haben. Bis der Groschen fällt, genieße ich weiter mein Eis.


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