Die Stimme Kroatiens

20:47 / 09.01.2023.

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Deutsche Luxusprobleme

Weihnachtsplätzchen

Weihnachtsplätzchen

Foto: Dana Jungbluth / HRT

Im Zuge meines Auswanderungsvorhabens habe ich mir kürzlich die Frage gestellt, ob und wenn ja, was ich an Deutschland eigentlich vermissen würde. Vielmehr drängte sich mir dieser Gedanke nach einem von inzwischen doch zahlreich erfolgten Kinobesuchen mit meinen Kindern auf.


Dabei geht es nicht einmal um das Kinoerlebnis an sich. Wenn ich genau darüber nachdenke, schaue ich mir Filme am liebsten zuhause auf der Couch, eingekuschelt in eine Decke und die Füße hochliegend, an. Was mich am Film- und Serienkonsum so begeistert, ist die Tatsache, dass wir in Deutschland einfach alles in unserer Muttersprache anschauen können. Das finde ich schon ziemlich cool, gleichwohl ich auch schon amerikanische Serien oder Filme gerne im O-Ton angesehen habe. Hinzu kommt das buttrig-zuckrige Popcorn, das wir hierzulande im Kino zu essen pflegen. Ich erinnere an die salzige Pappe, die man etwa in kroatischen Fußballstadien reicht. Womöglich, um gegnerische oder fremde Fans zu vertreiben, das würde dieses eigenartige Verständnis von Genuss erklären.


Genussdinge sind überhaupt mit die ersten Sachen, die mir bei geliebten typisch deutschen Dingen in den Sinn kommen. Verfressen, wie ich zu sein scheine. Was gibt es bitte Besseres als ein Mettbrötchen mit Zwiebeln und Gürkchen? Doch wohl nur eine fettige Bratwurst im Brötchen mit Senf. Gibt es eigentlich irgendwo auf dieser Welt Brötchen wie in Deutschland? Ich konnte noch keine finden. Und ich würde sie wirklich vermissen. Ich mag Brötchen. Sogar lieber als Brot, wobei ich eine Brotzeit fast jeder warmen Mahlzeit vorziehe. Wo auf der Welt gibt es eine solche Brotauswahl wie in Deutschland? Aber auch das Gebäck generell kann sich hier sehen lassen. Puddingteilchen, unvergleichliche Schokocroissants, aber auch Torten, in die man sich hineinlegen könnte. Mit Anlauf versteht sich. Zur Brotzeit darf es außerdem ein herzhafter Wurstsalat mit einer doppelten Portion Zwiebeln sein. Dazu Brezeln. Aber auch ein Hauch von England mit Nürnbergern als Beilage zum Frühstück geht gerne klar. Oder ein Leberkäse mit Spiegelei und Röstziebeln. Ich verstehe gar nicht, warum man uns einst Krauts nannte, das isst hier so gut wie kein Mensch, auch wenn es ebenfalls extrem lecker schmeckt. Mit Bratwürstchen natürlich. Und Kartoffelpüree. Auch bei allerlei Gaumenfreuden neige ich stets eher zum Herzhaften. Was jedoch nicht heißen soll, dass ich Süßigkeiten verschmähen würde. Die Süßigkeitenauswahl und leider auch der Geschmack dieser sehr begrenzten lässt in Kroatien wirklich zu wünschen übrig. Ich denke da etwa an gute Lindt-Schokolade, etliche Varianten von Kinderschokolade, prall gefüllte Haribo-Tüten (nicht diese kroatischen Miniaturausführungen der langweiligen Goldbären), Marzipanleckereien in perfekter Konsistenz, ein Meer an Weihnachtsschokolade, -pralinen und -keksen, Chips ohne Ende (zwar wiederum herzhaft, aber zählend etwa zu Filmsnacks), Mozartkugeln, Katzenzungen, Marshmallows in allen möglichen Farben, Formen, Größen und Ausführungen (z.B. mit Schokolade überzogen, weil wir so wenig davon haben), Kaubonbons, Gummischnüre, hauchzarte Schokoladenblättchen.... ich bade gedanklich gerade in den Süßigkeitenregalen der hiesigen Supermärkte, die teilweise um ein Vielfaches mehr an Fläche benötigen als die Obst- und Gemüseabteilungen zusammen. Völlig zu Recht, wie ich finde. Auch die Frischfleischtheken und Metzgereien können sich bei uns sehen lassen. Hatte ich Würstchen erwähnt? Ich liebe sie und nirgends sind sie so lecker wie in Deutschland.


Wenn man hier nicht gerade auf dem Land wohnt, kann man auf Wunsch die hiesige kulinarische Vielfalt nahezu rund um die Uhr genießen. Und dabei hat man nicht nur die Wahl zwischen unterschiedlicher deutscher Kost, sondern im Prinzip die Möglichkeit, Köstlichkeiten aus allen Ländern der Welt zu wählen. Es ist ein verfress... ähm, kulinarischer Traum, dessen Höhepunkt im Lieferservice mündet, wenn man zu faul ist, für diesen auch nur einen Handschlag zu tun.


Aber auch diverse nebensächliche Bräuche wie Schultüten, Feste wie Karneval (also der richtige kölsche oder eben der Rest eines längst begrabenen Heimatgefühls in Kommerz verpackt), die deutsche Ordnung, ordentliche Autos auf den Straßen, mit Gartenzwergen bestückte Vorgärten oder Reihenhaussiedlungen (auch wenn ich sie hässlich finde) würde ich in Kroatien lebend ab und an wahrscheinlich vermissen. Seltenere Unternehmungen wie Shoppingtrips oder der Besuch von Freizeitparks, Museen und Konzerten würden mir aufgrund ihres hiesigen pompöseren Ausmaßes und breiteren Angebotes ganz heimlich auch fehlen. Verraten Sie es keinem. Das Stöbern in Büchereien würde wegfallen und nicht mal über Amazon könnte ich dieser Vorliebe in gewohntem Maße und Verlangen nachkommen. In kroatischen Gottesdiensten müsste ich durch bloße Lippenbewegung und abguckendem Knien, Aufstehen und Beten mein schauspielerisches Talent unter Beweis stellen, während die deutsche "Privatsphäre", die man hier mitunter durch einen einzigen Blick erreicht, vermutlich dahin wäre. Abgelöst von ewigem Beleidigtsein aufgrund dieser eingebrannten deutschen Ausstrahlung. Eine Herausforderung. Rundherum. Auch wenn es letztlich um Nichtigkeiten geht. Erprobt in diversen Lockdowns, bestanden und überlebt.


Die wirklich wichtigen Dinge vermisse ich hier wie dort gleichermaßen, weswegen ich all diese Kleinigkeiten gerne in Kauf nähme. Ebenso übrigens wie den Verzicht auf die direkte Küste. Am Meer bräuchte, ja wollte ich gar nicht wohnen. Mich zieht es ins Dörfliche, "Ursprüngliche" in zweierlei Hinsicht. Für diesen Frieden und diese Heimat mit ihren ganz eigenen geschätzten Schätzen bedeutet Vermissen auch keinen Verzicht. Sondern puren Gewinn. Im Gepäck die Sammlung gelebter und ungelebter Träume des Lebens.


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