Die Stimme Kroatiens

15:49 / 10.07.2021.

Autor: Martina Perković

Interview mit dem österreichischen Botschafter in Zagreb Dr. Josef Markus Wucketich

Botschafter Wucketich bei einem Panel an der Universität VERN in Zagreb zum Thema Tourismus. Hot or Not?

Botschafter Wucketich bei einem Panel an der Universität VERN in Zagreb zum Thema Tourismus. Hot or Not?

Foto: Emica Elvedji / PIXSELL

Sie sind die Leiter der diplomatischen Vertretungen, das heißt Vertreter ihrer Länder in Kroatien. Sie sind Vermittler zwischen ihrem Land und dem Empfängerland, sie sind Botschafter. Nach der Schweizer Botschafterin Emilija Georgieva, sprachen wir auch mit dem österreichischen Vertreter in Agram, wie die Österreicher:innen sagen, Dr. Josef Markus Wucketich.

Wie gut gefällt es Ihnen in Zagreb? Wie zufrieden sind Sie mit dem Leben in Kroatien?

Ich mag Zagreb sehr. Die Stadt hat viel zu bieten - kulturell, kulinarisch und erholungsmäßig. Ich selber wohne 10 Gehminuten vom Naturpark Medvednica entfernt. Das ist eigentlich eine unglaubliche Sache, zu Fuß innerhalb kurzer Zeit mitten in unberührte Natur gelangen zu können. Auch das ist eine Facette von Zagreb! Das Leben in Kroatien behagt mir sehr. Sicherlich spielt da auch eine gewisse Rolle, dass ich kroatisch spreche und dadurch unmittelbaren Zugang zu den Menschen dieses Landes habe. Ihr Land hat viel Sehenswertes an Kultur und Naturschönheiten zu bieten. Leider konnte ich wegen der Coronavirus-Pandemie viele Sehenswürdigkeiten, die ich auf meinem geistigen Merkzettel notiert habe, noch nicht besuchen. Aber mit dem Fortschreiten der Schutzimpfungen gegen COVID-19 hoffe ich sehr, dass das Reisen längerfristig wieder einfacher wird.


Wie würden Sie die Hauptstadt Kroatiens einschätzen im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen?

Zagreb hat eine überschaubare Größe und bietet gleichzeitig alle Annehmlichkeiten und Vorteile einer Metropole. Das macht für mich Zagreb ganz besonders sympathisch.

Gefällt Ihnen der kroatische Lebensstil? Viele behaupten ja er sei sehr locker und die Menschen unbefangen. Der tägliche Gang „na kavu“ als ein sehr wichtiges Element dieser Lockerheit.

Dieser Lebensstil hat schon etwas für sich und gefällt auch den vielen ausländischen Gästen, die in Ihrem Land Urlaub machen. Die Leidenschaft fürs Kaffeetrinken teilen wir schon ein bisschen mit den Kroatinnen und Kroaten, wobei sie hier wahrscheinlich noch ein bisschen ausgeprägter ist. Österreich ist übrigens sehr stolz auf seine Kaffeehaustradition. Es gibt noch immer sehr viele altehrwürdige Cafés in meinem Land, die einen Besuch wert sind. Besonders früher waren die Kaffeehäuser Treffpunkt für Künstlerinnen und Künstler sowie Intellektuelle. Ich selbst kann mich noch gut erinnern, dass ich in den 80er Jahren den österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard hin und wieder im Café Bräunerhof in Wien „gesichtet“ habe, wenn ich es in der Mittagspause besuchte. Dieses Café liegt nämlich relativ nahe zum Außenministerium und es gibt es übrigens noch immer.


Wie bewerten Sie die bilateralen Beziehungen zwischen Kroatien und Österreich?

Die Beziehungen sind exzellent. Die gemeinsame Vergangenheit hat viele Verbindungslinien zwischen unseren Ländern geschaffen – kulturell, gesellschaftlich, mentalitätsmäßig. Nehmen Sie zum Beispiel die burgenländischen Kroaten. Die leben seit dem 16. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes und bilden noch immer eine sehr lebendige Brücke zwischen unseren Ländern. Österreich hat das kroatische Streben nach Selbstständigkeit in den 90er Jahren von Anfang an unterstützt. Heute sind wir freundschaftlich verbundene, starke Partner in einem vereinten Europa. Die österreichische Wirtschaft ist mit einem Investitionsvolumen von € 4,4 Mrd. Investor Nr. 1 in Kroatien. Mit diesen Investitionen sind 35.000 Arbeitsplätze verbunden. 83.000 Kroatinnen und Kroaten leben und arbeiten in Österreich. Unsere bilateralen Beziehungen sind eindeutig eine Erfolgsgeschichte.

Leere Straßen vor dem Stephansdom in Wien in Zeiten von Corona.

Leere Straßen vor dem Stephansdom in Wien in Zeiten von Corona.

Foto: Florian Schroetter / EXPA

Was können die beiden Länder voneinander lernen?

Meiner Erfahrung nach sind die Kroatinnen und Kroaten sehr geschickt im Umgang mit Krisen und schwierigen materiellen Situationen. Was mir persönlich als österreichische Stärke vorkommt sind Ordnungssinn und Diszipliniertheit, die mit einer gewissen Flexibilität und Kompromissbereitschaft gepaart sind.

Wie schätzen Sie Kroatiens Entwicklung seit den 90er Jahren ein, beziehungsweise den Werdegang von einem vom Krieg zerrütteten Land bis hin zu einem EU Mitgliedskandidat und in der Zwischenzeit einem (fast) vollwertigen EU Mitglied mit all den Rechten und Pflichten.

Sie haben das gerade sehr schön gesagt. Kroatien hat den Weg von einem kriegszerrütteten Land zum Mitglied der EU geschafft. Jetzt ist Kroatien drauf und dran, in den inneren Kern der EU vorzudringen. Das ist schon beachtlich. Da kann ich nur gratulieren. Aber im Leben gibt es leider kein Ausruhen auf Lorbeeren. Den Weg der Reformen wird Kroatien weitergehen müssen.

Glauben Sie Kroatien ist auf einem guten Weg bezüglich des Beitritts zum Schengenraum und zur Eurozone?

Kroatien hat die große Schengen Evaluierung bestanden. Man kann sagen, dass der technische Teil des Beitritts zur Schengen-Zone faktisch beendet ist. Jetzt ist die Politik am Zug. Kroatien ist vor knapp einem Jahr dem Eurowechselkursmechanismus II beigetreten. Das ist schon die Vorstufe zum Beitritt zur Eurozone. Ihr Land hat sich davor bereits zu spezifischen Maßnahmen in Bezug auf Geldwäsche, Investitionsklima, Insolvenzregeln usw. verpflichtet. Mit der Coronavirus-Pandemie ist das makroökonomische Umfeld schwieriger geworden, aber Kroatien ist auf einem guten Weg.

Wie bewerten Sie die wirtschaftliche Lage im Land? Viele kritisieren das „schlechte“ Investitionsklima.

In meinen Gesprächen mit den österreichischen Firmen hat sich gezeigt, dass die Corona-Unterstützungsmaßnahmen der Regierung wirksam und zeitgerecht waren. Den Investoren liegt sehr an Investitionssicherheit, da insbesondere an der Vorhersehbarkeit von gerichtlichen und bürokratisch-administrativen Entscheidungen sowie an der Klarheit von rechtlichen Regelungen. Die Regierung ist sich der Wichtigkeit dieser Thematik bewusst. Im Nationalen Aufbau- und Resilienzplan, den Kroatien wie die anderen EU Mitgliedsstaaten im Gefolge der COVID-19-Pandemie erstellt hat, sind gerade auch Administration und Justiz als Reformbereiche vorgesehen.

Eines der Wahrzeichen Österreichs und vor allem der Stadt Wien, das Schloss Belvedere.

Eines der Wahrzeichen Österreichs und vor allem der Stadt Wien, das Schloss Belvedere.

Foto: DPA / PIXSELL

Die Coronavirus-Pandemie hält seit über einem Jahr die ganze Welt in Schach.

Wie würden Sie den kroatischen Umgang mit der Pandemie einschätzen? Auch in Bezug auf die Impfstoffpolitik und den Impfplan.

Die Politik in Zeiten der Pandemie bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung einerseits und dem Schutz der Interessen der Wirtschaft und der Erhaltung von Arbeitsplätzen andererseits. Dies gilt für Österreich ebenso wie für Kroatien. Zeitweilig kann es dann sein, dass sich die Politik einmal mehr dem einen, dann wieder mehr dem anderen Pol zuneigt. Kroatien hat ursprünglich ebenso wie Österreich stark auf den Impfstoff von Astra Zeneca gesetzt, bei dem es, wie Sie wissen, zu Engpässen kam. Österreich hat diese Thematik aufgebracht und Kroatien hat sich dieser Initiative zur ausgeglicheneren Impfstoffverteilung angeschlossen. Jetzt steht in Kroatien genug Impfstoff zur Verfügung und es geht darum, möglichst viele Menschen zum Impfen zu bewegen. Das ist, wie die kroatische Regierung betont, auch im Interesse einer erfolgreichen Tourismussaison. Ich finde es jedenfalls sehr gut, dass man prioritär das Personal im Tourismusbereich impft.


Fühlen Sie sich sicher in Kroatien?

Absolut. Keine Frage.

Welche drei Orte in Kroatien würden Sie jedem Touristen und oder Abenteurer als Sehenswürdigkeit empfehlen?

Das ist jetzt eine sehr knifflige Frage. Denn ich hätte weit mehr als drei Empfehlungen. Aber wenn ich eine Auswahl treffen müsste, die natürlich nur unvollständig sein kann, würde ich sagen Dubrovnik, Plitvicer Seen und besonders für die Österreicherinnen und Österreicher Opatija. Da gibt es aber dann noch den wunderbaren Diokletianpalast in Split, das Amphitheater in Pula, die Krka-Wasserfälle, den Nationalpark Mljet oder den Naturpark Kopački Rit ganz im Osten in der Nähe der Donau.

Welche traditionelle kroatische Speise essen sie am liebsten?

Da ich Teigwaren gerne esse, sind Štrukli mein Topfavorit. Aber auch ein frischer Fisch mit Mangold und Erdäpfeln ist ein Klassiker. An manchen Orten habe ich auch schon köstlichen Oktopussalat gegessen.

Was muss ein Tourist bei einer Reise in ihre Heimat, auf jeden Fall besuchen? Welche traditionellen Spezialitäten müssen gekostet werden?

Auf jeden Fall würde ich die Städte Wien und Salzburg und den Nationalpark Hohe Tauern besuchen. Wenn man schon in den Hohen Tauern ist, sollte man auch eine Fahrt auf der Großglocknerhochalpenstraße unternehmen. Sehenswert sind auf jeden Fall die Wachau und das Stift Melk, die donauaufwärts nicht so weit von Wien entfernt liegen. Von den Spezialitäten würde ich ein echtes Wiener Schnitzel vom Kalb mit Erdäpfelsalat oder einen Tafelspitz probieren. Nachher muss es noch ein Dessert geben: einen Topfen- oder Apfelstrudel, eine Sachertorte oder Salzburger Nockerl.

Die Burgenland Kroaten pflegen ihre Kultur seit Jahrhunderten

Die Burgenland Kroaten pflegen ihre Kultur seit Jahrhunderten

Foto: Davor Visnjic / PIXSELL

Wofür sollte Kroatien Österreich danken und andersrum?

In meinen Gesprächen mit den Menschen hier spüre ich noch immer sehr viel Dankbarkeit für die österreichische Unterstützung des kroatischen Strebens nach Eigenstaatlichkeit in den 90er-Jahren, jetzt wird mir sehr oft für unsere Hilfe und Solidarität für die Erdbebenopfer in der Region um Petrinja gedankt. Die Österreicherinnen und Österreicher können sich wiederum über die große Achtung freuen, die Kroatien unserem Land und unserer Kultur entgegenbringt.


Wir alle kennen Stereotype. Die Österreicher gelten als höflich, und die Kroaten sind bekannt für ihre Gastfreundschaft. Welche Charakteristiken der Österreicher halten sie als besonders lobenswert, und welche Kroatischen?

Stereotype sind so eine Sache. Da tue ich mir ein bisschen schwer. Sie haben ja schon einiges genannt. Aber ich finde, die Kroatinnen und Kroaten sind nicht nur sehr gastfreundlich sondern auch lebenslustig. Uns Österreicherinnen und Österreichern sagt man nach, dass wir Charme haben und insbesondere die Wiener eine besondere Art des Humors, den „Schmäh“.


Möchten Sie unseren Lesern und Zuschauern aus der DACH Region noch etwas mitteilen?

Ich wünsche allen einen schönen und erholsamen Urlaub! Vielleicht werden den nicht so wenige in Kroatien verbringen. Wo auch immer Sie sein werden, kommen Sie gut und gesund durch die Sommertage!

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